Gespräch mit Ulf Meyer zu Westerhausen, Geschäftsführer VHE-Nord e. V. und David Wilken, Geschäftsführer BGK e. V., im November 2021 über die Perspektiven in der Kompostwirtschaft.

 

Herr Wilken, sie sind jetzt seit einigen Monaten Geschäftsführer des BGK. Welche Erwartungen hegen Sie an der Zusammenarbeit mit dem VHE-Nord e. V.?

David Wilken

Zunächst hoffe ich auf eine Fortsetzung der gewohnt guten Zusammenarbeit. Darüber hinaus wünschen ich dem VHE-Nord e.V. einen weiteren Mitgliederzuwachs, was uns natürlich auch als BGK hinsichtlich der Gütezeichen weiterbringt. Und natürlich setze ich auf die Unterstützung auf regionaler Ebene, weil eben viel auf Landesebene entschieden wird. Da ist die Unterstützung aus den Regionen wichtig, auch hier in den norddeutschen Bundesländern.

Gibt es denn besondere Herausforderungen für den norddeutschen Bereich? 

David Wilken

Jede Region in Deutschland hat natürlich ihre Besonderheiten. Ich glaube, der Unterschied zum Süddeutschen liegt darin, dass im Norden die Anlagen im Durchschnitt viel größer sind und damit höhere rechtliche Anforderungen für IED-Anlagen beispielsweise durch die TA Luft entstehen. Heute haben wir auf der Mitgliederversammlung des VHE-Nord e.V. gehört, dass die Herstellung von Erden oder Substraten für den gewerblichen Pflanzenbau ein ganz besonderer Punkt ist, weil hier im Norden eben viel Torf abgebaut wurde und noch wird. Diese Industrie muss jetzt umstellen, sucht nach Alternativen und entwickelt ganz großes Interesse am Kompost. Daher hat Torfsubstitution mit Kompost hier einen viel höheren Stellenwert als in anderen Gebieten Deutschlands.

Sehen Sie das genauso, Herr Meyer zu Westerhausen?

Meyer zu Westerhausen

Ja, das sehe ich ähnlich. Der VHE-Nord e.V. hat sich in diesem Bereich seit Langem engagiert. Wir haben jetzt sogar Substrathersteller im Verband, die wirklich auf hohem Niveau Substrate aus Komposten für den Profi-Gartenbau mit nennenswerten Kompostanteilen herstellen. Um dieses Segment werden wir uns als Komposthersteller sicherlich noch weiter bemühen müssen. Dieser Markt ist schon interessant, zumal auch der Bedarf in den nächsten Jahren noch erheblich steigen wird.

Ist denn die BGK mit der Qualität der Komposte, die hier im Norden erzeugt werden, zufrieden? Oder gibt es aus ihrer Sicht noch Verbesserungsbedarf?

David Wilken

Ganz ehrlich, als Geschäftsführer musste ich mich bisher nicht um die Durchführung der Qualitätssicherung kümmern, weil es bei den BGK-Referenten in sehr guten Händen liegt und hervorragend funktioniert.  Daher kann ich jetzt keine konkreten Aussagen darüber treffen, wie sich jetzt die regionale Verteilung von Qualitäten oder Mängeln verteilt. Was ich aber sagen kann: Im großen Ganzen sind es nur sehr wenige schwarze Schafe, die immer wieder Probleme haben. Beim Gros unserer Mitglieder läuft es sehr gut.

Das klingt positiv. Was wünscht sich Ulf Meyer zu Westerhausen denn von der BGK-Gütesicherung? Könnte man da noch Dinge optimieren?

Meyer zu Westerhausen

Also, ich stimme David zu: Beim allergrößten Teil der Anlagenbetreiber läuft es sehr gut. Da gibt es ein absolutes Bewusstsein für Qualität. Aber es gibt eben doch auch einige wenige schwarze Schafe. Ich bin in den vier Jahren meiner Geschäftsführung und Tätigkeit als Qualitätsbetreuer für die BGK auf zwei solcher Anlagen gestoßen, und ich habe mich im Zuge dessen schon ernsthaft gefragt, ob das System an einigen Stellen verbessert werden muss. Aktuell beabsichtigt die BKG ja, ihr eigenes System zu überprüfen. Ich kann das nur unterstützen, weil ich eben den Eindruck habe, dass es Lücken gibt. Nicht unbedingt beim System der Gütesicherung, sondern vornehmlich in der Zertifizierung als Entsorgungsfachbetrieb. Wenn da Anlagen sind, die sich als schwarze Schafe herausstellen, dennoch EfB-Zertifikate und auch das RAL –Gütezeichen tragfen und wir trotzdem relativ wenige Eingriffsmöglichkeiten haben, dann müssen wir überlegen, was wir besser machen müssen. Andererseits ist es nach meiner Einschätzung besser, solche Anlagen möglichst lange auf dem Qualitäts-Radar zu behalten, sprich zu überwachen, als dass sie in einer Art Untergrund weiter agieren. Denn sie werden überwiegend weiter agieren mit der Gefahr, den Ruf der Branche zu schädigen.

David Wilken

Da muss ich Ulf zustimmen. Wir alle können es uns nicht leisten, Anlagen die nicht sauber arbeiten, trotzdem mit einem RAL-Gütezeichen auszuzeichnen  – dies schwächt das ganze System. Und tatsächlich überlegen wir uns im Bundesgüteausschuss der BGK eine interne Überprüfung der Gütesicherung an sich. Wenn die Stichproben tatsächlich Abweichungen ergeben, dann werden wir über weitere Maßnahmen entscheiden.

Erwartet ihr in Zukunft überhaupt noch einen Zuwachs an gütegesicherten Anlagen?

David Wilken

Es gibt ja noch Potenziale nicht gebauter Anlagen, die den noch nicht erschlossenen Bioabfall kompostieren könnten. Gerade im ostdeutschen Raum gibt es noch sehr weiße Flecken bei der getrennten Bioabfallsammlung.

Meyer zu Westerhausen

Ja, es gibt noch Potenzial. Es gibt ja auch immer mal wieder Anlagenbetreiber, die sich jetzt doch für eine Sicherung entscheiden. Aber es gibt auch welche, die wieder herausfallen, weil die Anlage komplett geschlossen wird oder, was viel seltener vorkommt, die die eingeforderten Qualitätsansprüche nicht einhalten können oder wollen.

David Wilken

Wir haben jetzt als BGK keine Strategie, um noch mehr Mengen zu bekommen, sondern bei uns steht das Thema der Qualität im Vordergrund. Dennoch gibt es noch ca. vier Millionen Tonnen Organik im Restabfall, die bisher nicht getrennt erfasst wird.

Wäre eine Steigerung auch für den norddeutschen Bereich realistisch?

Meyer zu Westerhausen

Also ich glaube, wir müssen differenzieren. Das eine ist das, was wir – in Corona-Zeiten sogar wieder ansteigend – in der Restabfalltonne anfinden und herausholen könnten. Das andere ist die Frage der Qualität, ob wir sie bei einer Mengenausweitung überhaupt halten können. Hinzu kommt, dass es ja nicht zwangsläufig so ist, dass der Kompostierer eine Gütesicherung durchführen muss. Bei schlechten Qualitäten haben wir dann als Kompostierungs-Branche aber insgesamt das Problem, dass wir aus schlechtem Bioabfall kein Produkt hinbekommen. Aber da möchten wir hin …

… „Produkt“ ist doch ein Terminus, den David Wilken gerne verwendet, oder?

David Wilken

Stimmt! Seit ich beim Fachverband Biogas im Jahr 2008 als Fachreferent anfing, kämpfe ich für ein Ende der Abfalleigenschaft für Komposte und Gärprodukte, insbesondere auf europäischer Ebene. Die Kommission hat die erarbeiteten Kriterien vor vielen Jahren in die Schublade verbannt, sie aber für die EU-Düngeprodukteverordnung wieder herausgeholt. Das ist sehr positiv zu bewerten. Jedoch muss für die Erfüllung eine CE-Zertifizierung bei einer Konformitätsbewertungsstelle (KBS) erfolgen, dessen Akkreditierung praktisch sehr schwer umsetzbar und viel zu aufwändig ist. Das ist immens enttäuschend. Trotzdem werden wir weiter daran arbeiten, einen „Produkt-Status“ für Komposte in Deutschland zu etablieren. Leider hat das deutsche Umweltministerium sich nie dazu bewegen lassen, ein nationales Ende der Abfalleigenschaften zu etablieren.

Meyer zu Westerhausen

Wir machen als Kompostierer ja schon jetzt ein Produkt. Das muss man klar sagen. Der Markt dafür ist bereits da, unsere Kunden betrachten es als Produkt. Bisher hat sich ja noch an keiner Stelle gezeigt, dass durch eine normale Kompostanwendung irgendwo ein Umweltskandal in die Welt gesetzt worden ist. Einzig die einzelnen schwarzen Schafe haben Schäden angerichtet und haben für den Rest für ein schlechtes Image gesorgt.

Wie kann denn die Qualität in der Biotonne aus eurer Sicht noch erhöht werden?

David Wilken

Eigentlich sind schon jetzt alle Werkzeuge vorhanden. Seit die getrennte Bioabfallsammlung vor fast 40 Jahren begann, gab es überall ein großes Engagement die Öffentlichkeit über die Sinnhaftigkeit zu informieren. Das ist mittlerweile an vielen Stellen abgeflaut. Dafür hat die BGK einen Leitfaden zur sortenreinen Erfassung von Bioabfällen mit Checklisten erstellt, die die Kommunen selber durchgehen können. Grundsätzlich brauchen wir mehr Öffentlichkeitsarbeit und Beratung für die Bürger, wie Bioabfälle richtig getrennt und gesammelt werden. Aber es geht am Ende nicht ohne Sanktion. Man muss auch mal eine falsch befüllte Biotonne stehen lassen und sie dann zu Restabfallgebühren entsorgen. Wenn man einmal bestraft worden ist, dann zeigt es Wirkung, dann passieren die Fehlwürfe in Zukunft vielleicht nicht mehr.

… insofern ist es also gut, dass die neue Bioabfallverordnung beinhaltet, dass der Anlagenbetreiber eine Charge mit drei Prozent Fremdstoffen abweisen kann?

David Wilken

Dass die drei Prozent in dem Entwurf drinstehen, ist grundsätzlich erst einmal gut und ein großer Erfolg. Allerdings gibt es das Problem, dass wenn höhere Werte vertraglich vereinbart worden sind, das Rückweisungsrecht nicht realisiert werden kann. Das ist kontraproduktiv. Zudem sehe ich die drei Prozent als einen maximal tolerierbaren Fremdstoffgehalt. Anzustreben wären natürlich Werte unterhalb einem Prozent.

Stimmst du dem zu? Braucht es strengere Vorschriften?

Meyer zu Westerhausen

Ohne jetzt Jurist zu sein, stelle ich die grundsätzliche Frage: Wie kann es sein, dass in so vielen Städten und so vielen Landkreisen es eigentlich fast schon egal ist, was in der Biotonne landet? Und dass auch dann noch, wenn der Anlagenbetreiber sagt, das quasi alle Anlieferungen unter aller Kanone sind? Obwohl die juristischen Mittel eigentlich Erfolg versprechen, werden sie trotzdem nicht angewandt.

David Wilken 

… also, ich möchte schon einräumen, dass an vielen Stellen tatsächlich etwas passiert. Zwar nicht überall genug, doch es gibt viele Vorzeigeregionen wie sie zuletzt auf dem Kassler Abfallforum vorgestellt wurden, wo die Fremdstoffgehalte auf unter einem Prozent gesenkt werden konnten.

Kommen wir zum Thema Verbände: Wird sich die Verbändestruktur zukünftig vereinfachen?

David Wilken

Die Strukturen sind kompliziert, aber es sind auch gewachsene Strukturen, die dem ganzen System auch Stabilität geben. Nach einigen Monaten als Geschäftsführer der BGK bin ich jetzt in fast allen Regionen gewesen und jede Region hat seine eigene Sichtweise. Aber egal wie stabil die Strukturen sein mögen, gibt es natürlich viele Ideen, diese zu verändern. Eine Veränderung führt auch immer zu Unsicherheit. Wir als BGK können nicht den Regionen vorschreiben, wie sie sich organisieren sollen. Jede Region und Sparte entscheidet für sich selbst, als regionale Gütegemeinschaft oder eben als Verband wie dem VHE-Nord e.V. Daher erwarte ich in naher Zukunft keine Veränderung.

Meyer zu Westerhausen

Das sehe ich ein bisschen anders, obschon auch wahr ist, dass die Verbände nicht von außen, sondern von innen heraus Veränderungen anstoßen sollten. Denn: Wir sollten enger zusammenarbeiten. Ich erkenne in der jüngsten Vergangenheit dazu neue erfolgversprechende Ansätze, wie sie sich bei der gemeinsamen Stellungnahme von fast einem Dutzend Verbände zur Düngeverordnung im Frühjahr 2020 oder auch dieses Jahr bei der Bioabfallverordnung zeigte. Ich gehe daher davon aus, dass sich hinsichtlich der Verbändestrukturen in den nächsten Jahren etwas bewegen wird.

…  um konzertierter und konzentrierter mit der Politik zu kommunizieren? David Wilken

 Das ist abzuwarten. Für die BGK ist es so, dass sie eben kein Lobbyverband ist und deshalb auch bei gemeinsamen Stellungnahmen an die Politik in der Vergangenheit meist nicht beteiligt war. Da sollte man nichts vermengen. Die BGK ist eine Gütegemeinschaft mit zusätzlichem Rundum-Paket für ihre Mitglieder; wir begleiten die Mitglieder mit fachlicher Expertise, mit Praxis-Seminaren, mit Beratungsgesprächen, mit Publikationen und anderen Service-Angeboten. Wir sprechen über die Güte der Komposte, nicht über Wirtschaftlichkeit der Anlagen und technische Anforderungen. Aber unabhängig davon: Dass es eine gemeinsame bundesweite Interessensvertretung für die Bioabfallwirtschaft geben sollte, da bin ich vollkommen d‘ accord. Das ist aber nicht die BGK, wir sind die fachlichen Begleiter. Da gibt es eine klare Kontur.

Meyer zu Westerhausen

Ich glaube, das hat dein Vorgänger, Dr. Kehres, schon deutlich zum Ausdruck gebracht: Lobbyarbeit und Gütesicherung sind klar zu trennen. Und das ist auch gut so, dass Du dies konsequent fortsetzen willst. Da hast Du meine volle Unterstützung. Die Lobbyarbeit liegt auf der Seite der Verbände und da wollen wir vorankommen, um mehr Gemeinsamkeit zur demonstrieren. Da sind wir, der VHE Nord und der VHE-Nord, zuerst gefragt.

Zum Abschluss: Wann ist die Kompostierung CO2-frei?

David Wilken

… wo stehen wir denn jetzt? Wir haben unsere Klimaneutralität schon erreicht. Deshalb müssen wir dies in der öffentlichen Debatte noch mehr als in der Vergangenheit weiter kommunizieren.

Meyer zu Westerhausen

… finde ich einen guten Einwand! Was heißt denn CO2-freie Kompostierung? Wir haben ja schon eine positive Klimabilanz, wenn wir auf die Verwertung der Komposte zum Aufbau von Humus gucken. Gleiches gilt für den Ersatz von Torf im gewerblichen Gartenbau. Wenn ich das auch noch mit reinrechne, dann bin ich davon überzeugt, dass wir schon heute sehr gut, ja klimaneutral, dastehen.

Noch eine Anmerkung dazu. Beim Hannoveraner Abfallentsorger Aha gab es vor einiger Zeit zum Thema Klimaschutz einen interessanten Diskurs. Die Müllverbrennungsanlagen generieren CO2-Gutschriften, aber wo steht die Kompostwirtschaft, wo sind deren Gutschriften? Großes Schweigen in der Runde. Das ist nach wie vor noch nicht geklärt und deswegen haben wir an dieser Stelle noch viel Arbeit vor uns. Deshalb ein Appell meinerseits an die Jugend: Abfallwirtschaft ist Klimaschutz, es ist eure Aufgabe!

Danke für das Gespräch!

 

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