Nachhaltig wirtschaften Spezial
Biomüll – Eine Banane geht ihren Weg
von Anika Werner
Von welcher Seite eine Banane geöffnet wird, da scheiden sich die Geister. Ich jedenfalls ziehe am großen Stängel und pelle ihre Schale ab. Darunter kommt die weißlich-gelbe Frucht zum Vorschein. Frisch und absolut unbeschadet. Kein Wunder, dass Bananenschale als das beste Verpackungsmaterial gilt. Was nach dem Genuss kommt, erfuhr ich bei einem Spaziergang über die Mülldeponie in Bardowick von Reiner Jilg und Kai Wolff von der GfA Lüneburg.
Nachdem ich meine Banane aufgegessen habe, landet die Schale in der Biotonne. Alle zwei Wochen wird diese von einem LKW abgeholt und in eine Halle auf die Deponie der GfA in Bardowick gefahren. „Wir müssen ein Stück weiter reingehen“, ruft Reiner Jilg in meine Richtung gebeugt. Wir sind einen Moment am Eingang stehengeblieben, denn hier ist es laut. Riesige Maschinen knattern und rattern und treiben die Fließbänderan. Trommeln drehen sich, metallisches Klappern kommt aus einer Ecke. Hinter uns steht ein Müllfahrzeug und piept. Rückwärts rangiert es in die Halle. Die Klappe am Heck öffnet sich und der Biomüll fällt heraus. Ich erkenne einen Apfelgriebs, matschige Kürbisse, Äste, eine Bananenschale, einen Blumenstrauß und eine Tüte.
Der Facharbeiter reißt sie auf. Ein zerbrochener Teller, Windeln, Taschentücher und Alufolie kommen zum Vorschein. Alles was nicht in die Biotonne gehört. Er sagt: „Oft schmeißen die Menschen ihren Restmüll in die Tonne und bedecken ihn mit Biomüll. Denn wenn ich sehe, dass etwas falsch entsorgt wurde, nehme ich die Tonne nicht mit.“ Kai Wolff hat gemeinsam mit Studenten der Leuphana ein Experiment durchgeführt. Sein Fazit: „Ein großes Missverständnis sind die biologisch abbaubaren Plastiktüten, die für den Biomüll verkauft werden. In unserem Versuch haben wir 14 Wochen beobachtet, ob und wie die Tüte sich zersetzt. Große Stücke blieben erhalten. Sie ist beim Kompostieren zwar zerkleinert worden, aber hat sich nicht zersetzt.“ So wird sie zum Störstoff.
Ein Radlader füllt seine Schaufel mit Biomüll und kippt ihn in die Sortieranlage. Im Inneren dreht sich eine Trommel mit 80 Millimeter großen Löchern. Reiner Jilg erklärt: „Der Biomüll wird hier vorsortiert. Alles was durch die Löcher fällt, landet auf dem linken Förderband und wird der Komposthalle zugeführt. Rechts landen die größeren Stücke.“ Baumwurzeln, ein Sack mit Grünabfall und ein Teddybär laufen in die nächste Maschine. Hier wird das Material vorgerissen. Ein Stück weiter fliegen einzelne Teile an die Decke. Die Magnetplatte zieht Weißblech und Metalle an und lässt sie in eine Mulde danebenfallen. Hier sammeln sich Glasdeckel, Schrauben und Metallplatten.
Wir gehen ein paar Stufen hoch in einen Raum. An einem Laufband stehen zwei Mitarbeiter, die den Müll mit der Hand sortieren. Einer von ihnen zieht ein großes Stück Gestrüpp heraus und wirft es in die Mulde unter sich. Er erklärt: „In diesem Zopf hat sich ein Seil verfangen. Das ist nicht kompostierbar.“ Ich merke an, dass ich eine Gartenschere vermisse, die mit großer Wahrscheinlichkeit mit den Gartenabällen in der Tonne gelandet ist. Die beiden Männer lachen: „Da haben wir hier eine ganze Sammlung von.“ Der Teddy kommt angefahren und wird zum Restmüll sortiert. Auf meine Frage, was die kuriosesten Dinge sind, die sie im Biomüll fand, rümpfen sie ihre Nase. „Eine Wildschweindecke, die das doppelte wog, weil sie voller Maden war. Oder ein Kopf von einem Reh.“ Elektronische Geräte wie Laptops, Kabeltrommeln und Küchengeräte seien hier schon gelandet und werden von Hand aussortiert.
Alles, was übrig bleibt, landet in der Mühle. Sie zerkleinert das Material. Leichte Teile wie Plastiktüten werde in einen Container gepustet und der Rest in die Rotthalle nebenan transportiert. Auf dem Weg in diese stelle ich mir vor, wie es dort stinkt. Säuerlich, schimmelig, eklig mit tausend aufgestachelten Wespen stelle ich mir die rottenden Müllberge vor. Wahrscheinlich streiten sich hier die Vögel mit den Ratten um die besten Stücke. Als ich die Halle betrete, bin ich positiv überrascht. Der Weg ist sauber gefegt, die acht Haufen sehen aus wie Erdberge. Die sogenannten Mieten liegen ruhig da. Nichts bewegt sich und im Gegensatz zur Sortierhalle ist es hier mucksmäuschenstill.
Es stinkt nicht, es duftet. Der Geruch erinnert mich an einen Herbstspaziergang im feuchten Wald. Reiner Jilg sagt: „Die Mieten durchlaufen die Halle acht Wochen lang und werden regelmäßig gewässert. Luft wird zugeführt und abgesaugt. Das treibt die Zersetzung voran. Der Schaufelbagger in der Mitte der Halle lagert die Mieten um, sodass Sauerstoff zugeführt wird. Diesen benötigen die wichtigen und für den Umsetzungsprozess verantwortlichen Mikroorganismen zum Überleben. In den Haufen ist es bis zu achtzig Grad warm. Die hohe Temperatur stellt sicher, das alle Keime abgetötet werden.“ Ich fühle an dem Haufen. Er ist tatsächlich warm. Kleine feuchte Erdkrümel bleiben an meiner Hand kleben.
Wir spazieren an den Mieten vorbei. Auf den braunen Haufen entdecke ich bunte Konfettischnipsel. Kai Wolff sagt: „Das ist das größte Problem, das wir beim Versuch entdeckt haben. Die kleinen Aufkleber auf dem Obst. Sie verrotten gar nicht, sind aber so klein, dass sie nicht als Störstoff aussortiert werden. Sie kleben auf Obstschalen und landen im Kompost.“ Ich denke an meine Bananenschale. Den Aufkleber habe ich bestimmt drauf gelassen. Das mache ich ab sofort anders, nehme ich mir vor. Wir verlassen die Halle. Draußen stehen weitere Mieten. Bei der ersten ist das Material grob, der nächste Haufen sieht feiner aus. Reiner Jilg sagt: „Die Mieten werden nach dem Rotten durchgesiebt. Der Biotonnenkompost wird von den Lüneburgern in den Garten und von den Landwirten auf die Felder gebracht. Das ist ein guter Bodenverbesserer.“ Er buddelt ein bisschen und hält den warmen, waldig duftenden Kompost in den Händen. „Moin!“ Hinter dem Komposthaufen kommt ein Mitarbeiter hervor. In der Hand hält er bunte Schnipsel. Er zieht die Augenbrauen hoch und sagt: „Obstaufkleber.“ Er sammelt zwei weitere Stückchen auf und wirft sie in die Tonne vor der Miete. Wieder zu Hause ziehe ich alle Aufkleber von den Obstschalen ab.
(Quelle: Anika Werner / Verlag St.-Böthig, Fotos im PDF: Frische Fotografie)
Video: Leuphana Universität. „Kunststoff in der Biotonne: Eine Bedrohung für die Umwelt.“