Feldtag in Tangstedt

Kartoffel küsst Kompost

Das Biogas- und Kompostwerk Bützberg und das Gut Wulksfelde sind Nachbarn. Sehr gute Nachbarn, denn die Komposthersteller der Hamburger Stadtreinigung und die Betreiber des seit Jahren florierenden Bioland-Betriebs am nordöstlichen Stadtrand von Hamburg kooperieren zum Vorteil beider Seiten eng miteinander.

„Wir setzen seit vielen Jahren den Kompost von Bützberg ein“, erzählt Rolf Winter, einer der Geschäftsführer von Wulksfelde, auf einem bemerkenswert unkrautfreien Kartoffelacker unmittelbar in der Nähe des Biogas- und Kompostwerkes stehend. „Wir haben mit den Kompostgaben unsere früheren Nährstoffdefizite ausgleichen können und überdies unsere Humusgehalte stabilisiert.“

Ob die Biogas- Kompost-Gaben, weit über 1.000 Tonnen pro Jahr für den gesamten landwirtschaftlichen Betrieb, auch einen positiven Effekt auf die Wasserhaltefähigkeit im Boden haben, könne Winter zwar wissenschaftlich nicht definitiv belegen, doch spiele dieser Aspekt bei steigenden Temperaturen und länger werdenden Dürrephasen auch im Norddeutschen eine wachsende Bedeutung. So setze auch der Landwirtschaftsbetrieb von Gut Wulksfelde beim Kartoffelanbau inzwischen Beregnungstechnik ein – „ohne geht es auch bei uns nicht mehr“, so Winter.

Transparente Biogas- und Kompostproduktion

Rund zwei Dutzend Landwirte und Kompostproduzenten beteiligten sich am Feldtag „Kompost und Kartoffeln im Ökolandbau“ Ende Juli in Tangstedt. Sie besuchten zuerst das Kompostwerk Bützberg, wo Gastgeberin Dr. Anke Boisch beim Betriebsrundgang erklärte, wie aus Hamburger Bioabfällen und Grünschnitt zum einen Biogas und zum anderen jährlich rund 20.000 Tonnen Qualitätskomposte erzeugt werden. Mit dieser gekoppelten energetischen und stofflichen Verwertung organischer Abfälle leistet das Werk in Bützberg einen wichtigen Beitrag für die wichtiger denn je werdende Kreislaufwirtschaft im Großraum Hamburg. Gerade in der jetzigen Erdgaskrise wird vielen plötzlich bewusst, wie wichtig auch die vorgeschaltete Biogaserzeugung auf der Basis von Abfällen ist.

Nach dem Einblick in den komplexen Produktionsprozess von Kompost ging es aufs benachbarte Kartoffelfeld von Gut Wulksfelde, das 1989 im abgewirtschafteten Zustand von fünf Bio-Pionieren von der Stadt Hamburg gepachtet wurde und heute – nach vielen Investitionen in Hofladen, Bäckerei und Gärtnerei – über 200 (!) Mitarbeiter zählt. Rolf Winter ließ dabei unter den Besuchern keinen Zweifel aufkommen: Der Komposteinsatz im Kartoffelbestand bzw. im gesamten Ackerbau ist ein wichtiger Baustein für den betrieblichen Erfolg.

Dr. Anke Boisch erläutert aufwändigen Kompostierungsprozess

Dennoch ist die Kompostierung auf dem Bützberg, die nicht nur Friede, Freude, Eierkuchen. So haben Dr. Anke Boisch und ihr 25-köpfiges Mitarbeiter-Team immer wieder viele Probleme zu lösen, um am Ende auch tatsächlich hochwertige Qualitätskomposte an interessierte Landwirte liefern zu können. „Im Winter finden wir mehr Backbleche in der Anlieferung, im Sommer sind es eher Grillroste“, fasste es die Geschäftsführerin der Vertriebsgesellschaft Kompostprodukte Nord (VKN) lakonisch pointiert zusammen. Mit anderen Worten: Nicht jeder Bürger nimmt es mit der Sortenreinheit in der Biotonne ernst

Immer noch scheint es viele zu geben, die aus Unwissenheit oder einfach aus Ignoranz hanebüchene Fehlwürfe provozieren. Welche Folgen das für den anschließenden Kompostierungsprozess hat, wird sichtbar auf dem Förderbandsystem von Bützberg, wo sich die Fehlwürfe zeigen und wo diese mit technischen Mitteln soweit wie möglich entfernt werden. Dennoch braucht es einige, aufwändige Siebvorgänge, bis die strenge gesetzliche Auflage für die Reinheit von Komposten eingehalten werden kann: Auf einem Kilogramm Kompost dürfen im Ökolandbau maximal 10 Quadratzentimeter Plastik oder Fremdstoffe anfallen – am besten natürlich gar keine.

Biolandwirte agieren sensibel

Dass besonders die Biolandwirtschaft sensibel auf etwaige Fremdstoffe reagiert, darüber wusste auch Romana Holle, Beraterin des Ökoring im Norden e.V., die 230 Öko-Landwirte mit 35.000 Hektaren betreut, auf dem Feldtag zu berichten. In der Vergangenheit gab es hinsichtlich des Kompostes aus Bioabfällen in den Reihen des Ökolandbaus kontroverse Positionen; nicht wenige lehnten es ab, verunreinigte Komposte, die auf dem Input von Biotonnen basieren, überhaupt auf ihren Äckern einzusetzen. Allerdings ist der Konfrontationskurs inzwischen zu weiten Teilen überwunden worden, letztlich auch weil sich die Kompost-Branche und die Bundesgütegemeinschaft Kompost (BGK) in den letzten Jahren innerhalb der eigenen Branche um substanzielle Verbesserungen bemüht hat.

So gibt es zwischen der BGK und den Verbänden Bioland und Naturland eine Zusatzvereinbarung, die auf die speziellen Anforderungen im Ökolandbau eingeht. Mit dem Ergebnis, dass heute auf den meisten Kompostanlagen inzwischen Qualitäten erzeugt werden, die auch unter Biolandwirten hohe Akzeptanz finden, wenngleich die Düngeverordnung die Handhabe mit Komposten für alle Beteiligten sicherlich nicht erleichtert hat. Dabei ist die landwirtschaftliche Skepsis gegenüber Komposten aus Abfällen nicht nur in Deutschland anzutreffen, sondern auch in den Nachbarländern Dänemark, Niederlanden, Belgien oder Schottland ähnlich gelagert.

EU-Projekt SOILCOM

Dies offenbart sich auch deutlich im EU-Interreg-Nordseeregion-Projekt Soilcom, an dem neben dem Kompostwerk Bützberg und der TU Hamburg, auch die Universität von Aarhus und das dänische Unternehmen HortiAdvice, ferner das mittelständische Gartenberatungsbüro Delphy aus den Niederlanden, das schottische James Hutton Institute sowie die belgischen Akteure Applied Research Centre for Potatoe Cultivation, Ornamental Plant Research, Own Capital of the Institute of Agricultural and Fisheries Research, Research Center for Vegetables sowie die in Mechelen ansässige Vlaco npo beteiligt sind.

Alle zusammen versuchen, kluge Strategien zu verfolgen, bei denen Komposte in hohen standardisierten Qualitäten in der gesamten Nordseeregion in „Zeiten rascher Bodendegradation“ am besten „maßgeschneidert“ und einfach anwendbar für die Landwirtschaft bereitgestellt werden sollen. Überdies geht es im von der EU finanzierten Projekt auch darum, die landwirtschaftliche Kompostierung auf den Höfen zu fördern und auch die Erfassung organischer Abfallströme auf Online-Plattformen weiterzuentwickeln, um damit am Ende auch einen besseren Überblick über die lokalen und regionalen Kompostströme zu erhalten.

Nicht zu vergessen ist bei der Beurteilung von Komposten in der Landwirtschaft natürlich auch, welche Auswirkungen dessen Einsatz auf die Düngungsplanung hat. Wenngleich von der Nährstoffseite her fast alles für einen Komposteinsatz spricht, gibt es dennoch Grenzen. Darauf wies auch Beraterin Romana Holle hin. Besonders die Phosphat-Obergrenzen müssen wachsam im Auge behalten werden. Dagegen gab sie hinsichtlich etwaiger Schwermetallfrachten (u. a. Zink, Cadmium) in Bioabfällen grundsätzlich Entwarnung: Die Werte liegen weit unterhalb der strengen Grenzwerte.

Fazit des Feldtages: Wenn es überall so klappen würde wie zwischen Gut Wulksfelde und Bützberg, dann hat Kompost noch eine große Zukunft vor sich.

AUTOR: DIERK JENSEN