Gute, gesunde Erden – gutes Klima

24. Fachtagung des VHE-Nord e. V.

Die Unwetter im Mai haben es wieder deutlich gezeigt: Das Klima befindet sich spürbar im Wandel. Global wie lokal. Der Druck zum Handeln wächst, das gilt auch für die Kompostwirtschaft und ihrem wirtschaftlichen Umfeld. Für den Verband der Humus- und Erdenwirtschaft Nord e. V.  Grund genug, um ihre 24. Jahrtagung in Kiel auf diese vielschichtige Thematik auszurichten. Unter dem Tagungstitel „Biomasse zwischen Welt- und Regionalklima“ wurde Mitte Juni in Kiel in mehreren Vorträgen der Bogen von der Metaebene einer globalen Klimaerwärmung über die Optionen einer emissionsärmeren Kompostproduktion hin zu einer erfolgreichen regionalen Erdenvermarktung in Schleswig-Holstein geschlagen.

Wahrlich, ein weites, spannendes Feld. Während der Klimaphysiker Dr. Helge Gößling vom Bremerhavener Alfred-Wegener-Institut über die Dramatik der klimatischen Veränderungen und über die unangenehmen Folgen referierte, unterrichtete Dr. Christoph Haas vom Dezernat Boden des schleswig-holsteinischen Landesamtes für Umwelt über „den zunehmenden Stress, dem die Böden aufgrund des klimatischen Wandels ausgesetzt sind“. Bodenexperte Haas berichtete dabei auch über die vielerorts zu beobachtende Degradierung von Moorböden. Positive lokale Akzente setzte dagegen Bernd Clausen, Betriebsleiter beim oar Humus- und Erdenwerk in Altenholz im Landkreis Rendsburg-Eckernförde. Er erinnerte an die Anfänge der oar, die bis in das Jahr 1988 zurückreichen. Während früher Bioabfälle aus Kiel angenommen und – wenig erfolgreich – eine Biogasanlage betrieben wurde, haben sich die Kompostierer und Erden-Produzenten in Altenholz nördlich von Kiel nunmehr in den letzten Jahren gänzlich auf die Verarbeitung von Grünabfällen konzentriert. So landen derzeit rund 33.000 Tonnen Grünabfälle auf dem Betrieb von Clausen. „Je besser das Inputmaterial, desto besser auch unser Produkt“, weiß Clausen und unterstreicht, dass man bei der oar den Aufbereitungsprozess der Biomasse „schon immer vom Ende aus, von der Qualität des Produktes, gedacht hat. Wir machen geile Erde und verbinden das mit sozialer Arbeit.“ Der Ansatz scheint Erfolg zu haben, denn der Absatz der insgesamt zehn Erden laufe derzeit bestens, wie Clausen verrät. Dabei gehe keine Ware an die Landwirtschaft, sondern wird vollständig an den regionalen Hobbygartenbereich sowie an den Erwerbsgartenbau geliefert. „Die Leute wollen unsere Komposte aus der Region, sie denken in Kreisläufen, sie wollen ein nachhaltiges Produkt“, konstatiert Clausen eine gewachsene Sensibilisierung auf der Nachfrageseite.

Dass auch die Erdenwirtschaft auf noch mehr Nachhaltigkeit setzen müsse, dafür engagieren sich die Akteure von HORTICERT, welches mit Mitteln des Bundeslandwirtschaftsministeriums und unter der Ägide der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR) im Jahre 2021 an den Start ging. „Seither bauen wir ein Zertifizierungssystem für Torfersatzstoffe auf, um die Torfreduktion zu forcieren“, umriss M. sc. Markus Bockholt von der Meo Carbon Solutions die Absicht von HORTICERT. Statt Torf sollen Ersatzstoffe wie Kokos, Holz und Kompost, aber zukünftig auch Sphagnum, Miscanthus oder feste Gärprodukte zum Einsatz kommen. Nach anfänglicher Skepsis in der Branche registriert Bockholt mittlerweile ein gewachsenes Interesse. Zumal die positiven Klimaeffekte torffreier Erden enorm sind. Wenn man Torf ersetzt, lassen sich die Treibhausgas-Emissionen nach Aussage von Bockholt um bis zu 70 Prozent reduzieren. Je nach Rezeptur kann das Reduktionspotenzial sogar noch höher ausfallen. Bockholt hofft, dass es mit HORTICERT nach der vom Bund finanzierten Projektphase ab Ende 2025 weitergeht, nicht zuletzt deshalb, weil die ersten Unternehmen und Produkte noch in diesem Jahr zertifiziert werden. Wenn nun Torf beispielsweise durch Komposte adäquat mehr als bisher ersetzt werden würde, hätte die Kompostbranche sicherlich nichts dagegen einzuwenden. Und dennoch: Obgleich das Ersetzen von Torf unter den Tagungsmitglieder durchaus begrüßt wurde, war doch an mehreren Wortmeldungen rauszuhören, dass nicht alle über noch ein weiteres Zertifikat, noch eine jährliche Kontrolle und noch mehr Bürokratie erfreut waren. Zudem: Wer zahlt am Ende den Mehraufwand? Darüber wird noch diskutiert werden müssen.

Torfersatz ist sicherlich ein wichtiger Aspekt zu mehr Nachhaltigkeit in der Erdenbranche. Dass aber auch die Kompostierer auf ihren Anlagen noch besser werden und ihren Beitrag für einen noch wirksameren Klimaschutz leisten können, wurde ebenso auf der Kieler Tagung erörtert. Wie das praktisch geht, zeigt das Beispiel Umsetzer, der die meterhohen Kompostmieten im Intervall umschichtet, um eine optimale Rotte zu ermöglichen. Statt wie früher Dieselaggregate einzusetzen, bietet der Hersteller JT RecTec GmbH aus Velbert seit einigen Jahren einen bisher weltweit einmaligen Elektro-Umsetzer an, der bestenfalls mit dem PV-Strom auf dem Dach der eigenen Werkshalle geladen wird. Aber nicht nur der klimafreundliche Antrieb überzeugt, sondern JT RecTec hat darüber hinaus die Technik des Umsetzens selbst so verändert, dass mittlerweile im Gegensatz zu früher einfach weniger Energie verbraucht wird. Das spart Geld und ist gut fürs Klima.

Korrespondierend zu dieser technischen Innovation trugen Prof. Dr. Carsten Cuhls vom Lehrstuhl Abfallaufbereitungstechnik an der Hochschule Magdeburg-Stendal und sein Doktorand Julian Matlach  aktuelle Messergebnisse zur Bioabfallbehandlung vor.  Wie die Wissenschaftler erklärten, ist bei der Kompostierung vor Allem das entweichende Lachgas (N2O) als eines der stärksten Treibhausgase zu beachten. „Gut betriebene Anlagen weisen eine zehnfach geringere Emissionsfracht an Methan und Lachgas auf als schlecht gemanagte Betriebe“, betonte Cuhls und verwies in diesem Zusammenhang auf die vielfältigen Möglichkeiten, die „prozessgebundenen Emissionen bei der Kompostierung“ in der täglichen Praxis zu vermindern. Dabei haben Faktoren wie die Höhe der Kompostmiete, die Temperatur, die Dichte und die Rottedauer den größten Einfluss auf die Reduzierung der klimaschädigenden Emissionen. Allesamt Parameter, die bestenfalls veränderbar sind. Und dies erst einmal unabhängig davon, ob die Kompostierung nun in einem abgeschlossenen Raum stattfindet oder offen erfolgt.

Diese Botschaft, die Prozesse positiv verändern zu können, ist eine die auch Dr. Felix Prinz zu Löwenstein, Öko-Landwirt in Hessen und langjähriger Vorsitzender des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), gerne teilt. Bezogen auf die globale Landwirtschaft und die dahinterliegende Lebensmittelkette, die zusammengenommen rund ein Viertel der gesamten Treibhausgase emittieren, bräuchte es in Zeiten des Klimawandels, so Prinz zu Löwenstein, einen „Systemwechsel“. Da reiche es aus seiner Sicht nicht, maßgeschneiderte, dürreresistente Pflanzen zu kreieren. „Wir müssen Landwirtschaft komplett anders denken als bisher“, mahnte er. Kritisch äußerte er sich unter anderen über die gegenwärtige Biogasnutzung in Deutschland, aber auch darüber, dass 60 Prozent des Getreides bisher noch in den Tiermägen landen. Prinz zu Löwenstein äußerte jedoch bei Weitem nicht nur griesgrämige Kritik, sondern bot auch Lösungen an: Beispielsweise die Humusanreicherung in Böden, die Wiedervernässung von Mooren oder die Pflanzung von Bäumen in Agroforst-Systemen. Kurz um: Agrare Mischgesellschaften (Syntrophie) seien für ihn probate Mittel, um die erforderliche Transformation von Landwirtschaft und Ernährung voranzutreiben. Dabei rennt die Zeit – zumal der Humusaufbau bekanntlich nur ganz langsam geschehe.

AUTOR: DIERK JENSEN