POSITIVE IMPULSE AUS MECKLENBURG-VORPOMMERN
Die Jubiläums-Tagung des VHE-Nord bot eine buntes Vortragsprogramm: Von Rückblicken auf 30 Jahre Verbandsarbeit für die Kompostwirtschaft über Methoden zur Fremdstoffbeseitigung bis hin zu Wärmekonzepten und dänischem Pragmatismus im Umgang mit verpackten Lebensmitteln
„Fast paradiesisch“ war eine Bemerkung von Stefan Grüner, die auf der 25. Fachtagung des VHE-Nord auf Schloß Basthorst in Mecklenburg-Vorpommern wahrscheinlich vielen Teilnehmern im Gedächtnis hängengeblieben ist. Denn mit dem Blick zurück auf mittlerweile 30 Jahre Verbandsarbeit – die in der Anfangszeit, aber auch darüber hinaus – von vielen abfallrechtlichen Problemen belastet war, reflektierte der Vorstandsvorsitzende des VHE-Nord die aktuelle Situation der Kompostwirtschaft insgesamt positiv. Sie sei derzeit geprägt davon, dass einerseits der Absatz der Kompostprodukte besser denn je laufe und andererseits mit der novellierten Bioabfallverordnung vom Gesetzgeber ein klares Bekenntnis zur Qualität gegeben ist – was der Kompostwirtschaft hilft.
„Fast paradiesisch“ ist eben nicht „ganz“: Dies unterstrich auch Renate Brügge in ihrem Grußwort vor mehr als 80 Tagungsteilnehmerinnen und -teilnehmern. Die Abteilungsleiterin für Abfallwirtschaft im Ministerium für Klimaschutz, Landwirtschaft, ländliche Räume und Umwelt in Mecklenburg-Vorpommern räumte ein, dass in ihrem Bundesland in Sachen Kreislaufwirtschaft noch Luft nach oben sei. Obgleich laut dem aktuellen Abfallwirtschaftsplan die Kapazitäten mit 32 Kompostierungsanlagen als ausreichend eingeschätzt werden, beläuft sich der bisherige Anteil der Abfälle, die in den Biotonnen landen, pro Einwohner und Jahr auf nicht mehr als 40 Kilogramm. „Die Landesregierung hat in ihrem Abfallwirtschaftsplan aber den Zielwert für 2030 auf 100 Kilogramm pro Einwohner beziffert“, bekräftigte die Juristin Brügge die feste Absicht, die Kompostwirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern weiter nach vorne zu bringen. Besonders der östliche Landesteil hat noch Nachholbedarf, in einigen Landkreisen existiert bislang noch keine flächendeckende Erfassung der Küchenabfälle über Biotonnen. Aber es bewege sich etwas in der Region, weiß Stephan Schütt, Technischer Leiter bei der Ostmecklenburgisch-Vorpommersche Verwertungs- und Deponie GmbH (OVVD) und verantwortlich für das Kompostwerk Reinberg. „Die Planungen für die Erweiterung der bestehenden Kompostierungsanlage haben schon begonnen. An dem Standort, an dem man schon heute die Abfälle aus den Biotonnen aus dem Kreis Vorpommern-Rügen (VR) verarbeitet, soll in Zukunft eine Kapazität von 35.000 Tonnen (aktuell 20.000 Tonnen) erreicht werden“, so Schütt – damit könne man dann auch die gesamte Bioabfallmenge aus VR behandeln. Noch werden Teilmengen in andere Bioabfallbehandlungsanlagen umgelenkt. Zudem: Die Nachfrage nach guten Komposten sei, bestätigt auch Schütte, in der Vieharmen Ackerbauregion im Nordosten der Republik überhaupt kein Problem.
Dass nicht nur im östlichen Landesteil von Mecklenburg-Vorpommern noch Potenzial schlummern, darauf wies Dipl.-Ing. Thomas Turk vom Witzenhausen-Institut hin. Es gibt auf der bundesdeutschen Landkarte noch immer weiße Flecken, in dem die Bioabfälle noch nicht getrennt gesammelt werden. Laut Turk ist so, dass genau so viele Küchenabfälle im Restmüll landen wie in der Biotonne. Das sei schon ernüchternd, denn aus seiner Sicht könnten in Deutschland rund 18 Millionen Tonnen kompostiert werden. Könnte, könnte, Fahrradkette.
Wenngleich also bei Weitem das Plafond der Kompostierung noch nicht erreicht ist, hat es die Pionier-Generation der Kompostierer mit dem Blick auf die ersten 30 Jahre letztlich doch geschafft: Sie etablierte sich als fester Partner in der Abfallwirtschaft, resümierte Dr. Anke Boisch, Vorkämpferin der Ersten Stunde. In ihrem Vortrag ging sie explizit auf die Dissertation von Dr. Bertram Kehres ein, die aus ihrer Sicht den Weg zur heutigen Kompostierung bahnte. „Kompost ist Abfall, bis zum Kontakt mit dem Feldboden“, so Boisch.
Gleichwohl viele abfallrechtliche Probleme aus der Anfangszeit seit Langem schon ad acta sind, ist das Thema Plastik weiterhin virulent. Prozentgewichte seien nicht gleich Fläche, so Boisch, Plastik kann bei einem Verunreinigungsgrad von 0,5 Prozent drei bis 13,5 Quadratzentimeter Fläche einnehmen. Für die langjährige VHE-Nord Verbandsaktive (Danke Dir dafür!!), die im Laufe des Jahres in den Ruhestand geht, liegen die zukünftigen Aufgaben der Kompostwirtschaft in den Themen Biokohle, in der Veredelung von Komposten zu Düngemittel, Mikroplastik und (natürlich) der Klimawandel.
Die diesjährigen Sponsoren der Jahrestagung auf Schloß Basthorst, Dietmar Meenken von der meetra Recycling-Maschinen und Ingenieur Hanns-Thomas Teubel (Ing. Teubel Umwelttechnik e. U.) unterrichteten die Zuhörenden auf kurzweilige Art Weise über ihre technischen Produkte, die sie der Kompostwirtschaft offerieren. Interessant sicherlich der neue Ansatz von Teubel: Statt zu sieben, will er dem Plastik im fertigen Kompost mit einer Saugtechnik zu Leibe rücken: Plastik-Teile unter 20 Millimeter könne das von ihm entwickelte Saugtechnik entfernen, versicherte Teubel.
Den bunten Strauß der Vorträge rundeten Martin Wilke von der Buhck Re.Energy GmBH & Co sowie Ulrich Dietrich und Klaas Mielck von der GP Joule Consult KG ab. Ihr Fokus lag auf der Nutzung von Abwärme auf Kompostanlagen bzw. kombinierten Gär- und Kompostanlagen. Während Wilke einen mobilen Wärmespeicher mit einer 1,6 MWh Kapazität vorstellte, referierten Ulrich Dietrich und Klaas Mielck über kommunale Wärmeversorgungskonzepte mit erneuerbaren Energien und welche Optionen es für Kompostierer geben würde.
Einen furiosen Schlußpunkt setzte dann Tobias Breinholt Hofmann. Er arbeitet für die Gemidan A/S, die in Dänemark fünf Aufbereitungsanlagen für verpackte Lebensmittel betreibt. „Nicht schreddern, sondern mit Wasser zu einem Brei anrühren“, war sein Botschaft an die norddeutschen Kompostierer. Hofmann zeigte dabei Bilder, auf denen gequetschte Dosen zu sehen waren, aus denen diverse Lebensmittel ausströmen und in einer breiigen Masse (Biopulp) „mitschwimmen“. Das Publikum staunte nicht schlecht – auch über die kurze Genehmigungsphase für die unter Lebensmittelrecht betriebene Anlage in Dänemark. Der aufbereitete Brei geht per Tanklastzüge an Biogasanlagen, die aus einer Tonne Brei rund 85 Normkubikmeter Biomethan erzeugen. Anschließend landet der Gärrest auf den Acker. Fazit: Pragmatisch ist gut, unkompliziert noch besser. Und: Es gibt viele Wege nach Rom.
Dierk Jensen